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Von: Axel Heinz, Experte für Nachlass und Digitalisierung
Stand: Juni 2024
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Das Berliner Testament ist in Deutschland sehr populär: rund 60% aller Testamente werden als Berliner Testament verfasst. Der Grund dafür liegt auf der Hand: sobald in einer Ehe oder eingetragener Partnerschaft der erste Partner verstirbt, soll der länger lebende zunächst alles alleine erben und finanziell abgesichert sein. Erst nachdem beide Ehegatten verstorben sind, sollen die Kinder erben. Die Absicherung des länger Lebenden und die Erhaltung des Familienvermögens entsprechen dem Wunsch der meisten Ehepaare und Eltern.
Das Berliner Testament hat jedoch auch Besonderheiten und entscheidende Nachteile. Rechtsexperten sind sich darüber einig, dass es nicht für alle Paare und jede Situation die beste Lösung ist.
In diesem Ratgeber erfahren Sie, was ein Berliner Testament ist, welche Besonderheiten es gibt und für wen und welche Situationen es geeignet ist. Außerdem stellen wir einige Alternativen vor, die vielleicht besser zu Ihrer Situation passen und die Nachteile deutlich abmildern.
Um die Lesbarkeit zu erleichtern, werden hier Begriffe wie “Ehegatte”, “Erbe”, “Notar” oder “Anwalt” in der männlichen Form verwendet. Bitte verstehen Sie diese Bezeichnungen als geschlechtsneutral. Wir meinen mit solchen Begriffen immer alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht.
Der Status aller Daten und Informationen bezieht sich auf das oben angegebene Datum.
Ein Berliner Testament (auch: gemeinschaftliches Testament, Ehegattentestament) ist eine spezielle Form des Testaments, das nur Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften nutzen können. Dabei verfassen die beiden Partner ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie erklären, was sie sich für den gemeinsamen Nachlass wünschen.
Im klassischen Berliner Testament setzten sich die beiden Eheleute gegenseitig als Alleinerben einn. Das bedeutet: Wenn ein Partner stirbt, erbt der länger Lebende zunächst alles. Die Kinder bzw. andere eingetragene Erben kommen erst an die Reihe, sobald auch der zweite Partner verstorben ist. Die Kinder bzw. die anderen Erben nennt man “Schlusserben“.
Es gibt beim Berliner Testament also zwei Erb-Situationen: die erste tritt ein, sobald der erste Ehegatte verstirbt und der länger Lebende alles alleine erbt. Und die zweite tritt ein, wenn der überlebende Ehegatte stirbt und die Schlusserben erben. Dies nennt man die Einheitslösung des Berliner Testaments – eine Variante ist die Trennungslösung, die wir später als Alternative vorstellen.
Sollten die Schlusserben die eigenen Kinder sein, dann sind sie in der ersten Erbsituation noch keine Erben, ihnen steht aber ein so genannter Pflichtteil zu. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des Wertes, den die Person erhalten würde, wenn sie ein Erbe wäre. Beispiel: ein Ehepaar hat eine Tochter und setzt ein Berliner Testament auf. Sobald der erste Ehegatte verstirbt, erbt der überlebende alles und die Tochter hat einen Pflichtteilsanspruch in bar auf die Hälfte ihres Erbteils.
Häufig verzichten die eigenen Kinder auf die Auszahlung dieses Pflichtteils. Falls zum Beispiel kaum Bargeld vererbt wird, aber eine selbstbewohnte Immobilie, kann die Auszahlung des Pflichtteils dem länger Lebenden sehr schwer fallen. Womöglich müsste die selbst bewohnte Immobilie verkauft werden. Weiter unten erfahren Sie, wie sie den Verzicht auf die Auszahlung des Pflichtteils unterstützen können.
Ob es in Ihrer Erbfolge Pflichtteile gibt, können Sie mit der Erbfolge-Analyse ermitteln, die Sie gratis im Basis-Paket von erbio finden.
Ein “klassisches” Berliner Testament ist speziell für verheiratete Paare (daher auch die Bezeichnung: Ehegattentestament) und eingetragene Lebenspartnerschaften vorgesehen und rechtlich auch nur bei solchen Partnerschaften gültig. Im weiteren Verlauf dieser Ratgeberseite sprechen wir daher auch nur von der Situation verheirateter oder eingetragener Paare. Unverheiratete Paare können ähnliche Regelungen treffen, die den gleichen Zweck erfüllen. Übliche Wege dafür sind zum Beispiel, sich in individuellen Testamenten gegenseitig zu berücksichtigen oder einen gemeinsamen Erbvertrag beim Notar zu erstellen.
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Wie bei jedem Testament ist es auch beim Berliner Testament wichtig, dass die Form stimmt und es klar und rechtssicher formuliert ist. So lassen sich später Missverständnisse und rechtliche Probleme vermeiden.
Achten Sie auf folgende Formvorschriften:
Der Aufbau eines Berliner Testaments hängt natürlich von Ihrer persönlichen Situation und Ihren Wünschen ab. Wichtig und üblich sind folgende Punkte:
Und wie bei jedem Testament können Sie weitere Wünsche und Absicherungen durch Vermächtnisse, Auflagen, Testamentsvollstreckung, Vormundschaftsregelungen, Schiedsklauseln etc. ergänzen.
Praktische Vorlagen, Tipps und Beispiele zum Berliner Testament finden Sie bei erbio plus.
Wie weiter oben dargestellt, ist das Berliner Testament in Deutschland sehr beliebt. Es hat zwar bestimmte Vorteile, jedoch auch entscheidende Besonderheiten, die in bestimmten Situationen zu großen Nachteilen werden können. Hier erfahren Sie mehr dazu und am Schluss auch erste Hinweise, wie Sie die Nachteile abmildern können.
Beginnen wir mit den Vorteilen:
Kommen wir nun zu den Nachteilen:
Die Vor- und Nachteile weiter oben machen klar, dass sich das Berliner Testament für bestimmte Situationen besser eignet als für andere. Weniger gut geeignet ist es für vermögende Paare mit Kindern, da ungenutzte Steuerfreibeträge und höhere Steuerklassen dann zu hohen Erbschaftssteuern führen.
Für weniger Vermögende, für junge Paare, für Kinderlose oder Paare mit noch sehr jungen Kindern kann das Berliner Testament zunächst sehr sinnvoll sein. Es ist unkompliziert und für weniger komplexe Situationen gut geeignet. Wenn Sie keine Kinder haben, können Sie eh keine steuerlichen Freibeträge nutzen und sehr junge Kinder werden keine Pflichtteile einfordern. Als junges Paar kennen Sie Ihre spätere Vermögenssituation auch nicht. Sie können also noch nicht abschätzen, wie viel Sie im ersten Erbfall vielleicht schon entbehren können, um Ihre Kindern früher zu unterstützen.
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Einige Experten raten dazu, in jüngeren Jahren dem Berliner Testament zu beginnen und im Alter von ungefähr 60 auf ein alternatives Testament umschwenken. Dann ist Ihnen klarer, wie viel Sie für Ihre Altersvorsorge wirklich brauchen. Ihre Kinder sind älter und benötigen vielleicht bald etwas Vermögen für eine eigene Immobilie.
Umschwenken können Sie dann zum Beispiel auf ein Testament, das schon beim Tod eines Elternteils die Kinder zu Miterben macht. Dann fallen deutlich weniger Steuern an. Um den überlebenden Ehepartner trotzdem abzusichern, könnte man eine vermietete Wohnung oder Wertpapiere an die Kinder vererben, Mieteinnahmen oder Dividenden und Ausschüttungen aber dem Überlebenden zugutekommen lassen.
Falls das Geld für den verbliebenen Ehepartner zu knapp wird, darf ein Teil des Erbes rückgängig gemacht werden. Das Familienheim sollte besser an den länger lebenden Ehepartner vererbt werden, weil das steuerfrei möglich ist. Solch ein alternatives Testament ist auch beim Notar günstiger, weil es eine Person und nicht beide Partner abschließen. Bei hohen Vermögen sind das beträchtliche Gebühren.
Um den Nachteil des doppelten Pflichtteils zu vermeiden, kann der überlebende Ehepartner als „Vorerbe“ und ein oder mehrere Kinder als „Nacherbe“ eingesetzt werden. Dann kann der Pflichtteil beim Tod des letzten Elternteils nur auf dessen Vermögen ohne den Anteil des zuerst gestorbenen Elternteils eingefordert werden. Die Ausgestaltung des Berliner Testaments mit einem Vorerben und späteren Nacherben wird als Trennungslösung bezeichnet. Das klassische Berliner Testament, bei dem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzen, nennt man Einheitslösung.
Außerdem sollte man dem Überlebenden Änderungsmöglichkeiten einräumen, zum Beispiel bis zu einer bestimmten Summe oder sogar für alles oder nur für Vermögen, das nach dem Tod des ersten Partners hinzugekommen ist.
Dann kann der zweite Partner flexibel auf Änderungen seiner Lebensumstände oder denen der Kinder reagieren, etwa einen unbeliebten Schwiegersohn.
Man kann auch eine Wiederverheiratungsklausel einfügen. Heiratet der überlebende Partner noch einmal, soll das Vermögen des Verstorbenen nach dieser Klausel bereits zu Lebzeiten des Längerlebenden zum Teil auf die Kinder übergehen, damit der neue Ehepartner nicht zu viel
bekommt. Mit einer solchen “Scheidungsklausel” werden die Kinder statt des bisherigen Ehepartners zu Erben, ohne dass das Testament geändert werden muss und damit möglicherweise erneut Notargebühren anfallen.
Eine Anfechtungsklausel verhindert, dass ein neuer Ehepartner des überlebenden Elternteils das Testament anfechtet und damit die Kinder weniger erben.
Mit solchen Anpassungen kann auch das Berliner Testament zu einer sicheren Lösung werden.
Vor dem Tod des ersten Partners gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Berliner Testament bzw. das gemeinschaftliche Testament zu ändern oder zu widerrufen.
Beide Ehepartner können das Berliner Testament jederzeit gemeinsam ändern oder widerrufen. Das bedeutet, sie müssen sich einigen und gemeinsam ein neues Testament verfassen oder das alte aufheben.
Jeder Partner kann das Berliner Testament alleine widerrufen, solange der andere Partner noch lebt. Dafür muss der Widerruf dem anderen Partner offiziell zugestellt werden bzw. durch notarielle Erklärung.
Falls die lebenden Ehegatten die Scheidung einreichen, erlischt das gemeinsame Testament.
Nach dem Tod eines Partners kann der überlebende Partner das Berliner Testament nicht mehr ändern oder auflösen. Man kann im Berliner Testament jedoch spezielle Klauseln (Öffnunsgklauseln) einfügen, die es dem überlebenden Partner erlauben, bestimmte Teile des Testaments zu ändern.
Falls das gemeinsame Vermögen und die Familiensituation nicht sehr komplex sind, ist
nicht unbedingt die professionelle Hilfe eines Anwalts oder Notars nötig. Sie können zum Beispiel als Ehepaar mit einem Kind und einer selbst genutzten Immobilie mit Hilfe von Online-Ratgebern wie erbio auch alleine ein Berliner Testament aufsetzen und die essentiellen Punkte regeln.
Falls Ihre Situation deutlich komplexer ist, zum Beispiel bei Vermögen im Ausland, nicht börsengehandelten Beteiligungen oder bei Patchworkfamilien, empfehlen wir Ihnen als Erblasser professionelle Beratung durch einen Anwalt oder Notar.
Die Notarkosten können Sie übrigens mit dem Notarkostenrechner von erbio basis sofort selbst ermitteln.
Da das Berliner Testament ein gemeinschaftliches Testament von zwei Personen ist, sind die Notargebühren doppelt so hoch wie bei einem Einzeltestament. Die Höhe der Gebühren richtet sich außerdem nach dem Wert des gesamten Nachlasses.
Die notarielle Beurkundung eines Berliner Testaments für einen Nachlasswert von 500.000 € kostet zum Beispiel 1.870 €. Jede Änderung später löst erneut Gebühren nach dieser Berechnungsmethode aus.
Die Notarkosten können Sie übrigens mit dem Notarkostenrechner von erbio basis sofort selbst ermitteln.
Zwischen 7 und 13 Prozent der Familien in Deutschland haben ein Patchworkmuster, sind also aus zwei oder mehr Teilfamilien entstanden. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist aber noch streng auf das traditionelle Familienbild zugeschnitten. Die gesetzliche Erbfolge begünstigt ausschließlich den überlebenden Ehegatten und die leiblichen Kinder eines Verstorbenen. Unverheiratete Partner und Stiefkinder gehen vollkommen leer aus und haben nicht einmal Anspruch auf einen Pflichtteil.
Für Patchworkfamilien ist daher ein Testament oder Berliner Testament sehr sinnvoll. Bei Patchworkfamilien geht es dabei zumeist um die Frage, ob vor allem die leiblichen Kinder begünstigt werden sollen oder ob für alle dieselben Regeln gelten.
„Meist geht es Patchworkeltern in erster Linie darum, den überlebenden Partner ab
zusichern“, sagt Julia Roglmeier, Fachanwältin für Erbrecht aus München. „Die Kin-
der sollen erst dann zum Zug kommen, wenn auch dieser gestorben ist.“
Zu diesem Zweck eignet sich für Ehepaare ein gemeinsames Testament, für Un-
verheiratete ist ein Erbvertrag ratsam.
Falls Sie alle Kinder, also sowohl gemeinsame als auch die aus früheren Beziehungen, gleich
behandeln möchten, können Sie dies zum Beispiel im klassischen Berliner Testament folgendermaßen darstellen:
“Wir Alfons Auerbach und Brigitte Burmeister bestimmen uns gegenseitig zu Alleinerben. Zu Schlusserben nach dem Letztversterbenden
setzen wir unsere Kinder Anton und Alex Auerbach, Bettina und Beatrice Burmeister sowie unsere gemeinsame Tochter Julia zu gleichen Teilen ein.”
Falls Sie jedoch die Kinder aus der jeweils ersten Ehe enterben und nur mit dem Pflichtteil ausstatten möchten, empfiehlt sich ein gemeinschaftliches Testament mit einer sogenannte Vor- und Nacherbschaft. Sie bewirkt, dass der länger lebende Partner zunächst den gesamten Nach-
lass erhält. Nach dessen Tod fällt das Vermögen, das er vom Partner geerbt hat, an diejenigen Kinder, die als Nacherben benannt wurden – und nicht automatisch auch an die leiblichen Kinder aus den ersten Ehen.
„Eine Vor- und Nacherbschaft bietet sich immer dann an, wenn Eltern das Familien-
vermögen vor allem für den gemeinsamen Nachwuchs erhalten wollen” , sagt Rechtsanwältin Julia Roglmeier. Kinder aus früheren Beziehungen werden dann keine Erben und erhalten lediglich Pflichtteile. So könnten Sie dies im gemeinsamen testament formulieren:
“Wir, Alfons Auerbach und Brigitte Burmeister, setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein, allerdings sind wir jeweils nur Vorerben. Alleinige Nacherbin und Schlusserbin ist unsere gemeinsame Tochter Julia.”
Ein weiterer Vorteil: Die Vor- und Nacherbschaft trennt das ererbte vom sonstigen Vermögen des länger lebenden Partners. Die Pflichtteilsansprüche enterbter Kinder aus erster Ehe beziehen sich nur auf das eigene Vermögen des Längerlebenden, nicht aber auf das, was er vom Erstversterbenden geerbt hat.
Im Bezug auf das Beispiel oben: Falls die gemeinsame Tochter Julia Nacherbin nach dem Tod beider Eltern Alfons und Brigitte wird, müsste sie an ihre Stiefschwestern Bettina und Beatrix keine Pflichtteile für das Erbe ihres Vaters Alfons auszahlen, sondern nur für das, was Brigitte besessen hat.
Im klassischen Berliner Testament haben die Kinder nach dem Tod des ersten Ehepartners einen Anspruch auf ihren Pflichtteil in Form von Geld. Dies kann die finanzielle Lage des überlebenden Partners erheblich beeinträchtigen, wenn zum Beispiel kaum Bargeld vorhanden ist, jedoch eine selbst bewohnte Immobilie.
Um ein solches Risiko abzumildern, können Sie eine Pflichtteilserschwerungsklausel (auch: Pflichtteilsstrafklausel) einbauen. Damit können Sie es für die Kinder attraktiver machen, nach dem Tod des ersten Elternteils sofort ihren Pflichtteil einzufordern. Die Klausel besagt, dass Kinder, die ihren Pflichtteil nach dem ersten Erbfall einfordern, nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil und nicht den vollen Erbteil erhalten. Sie würden dadurch praktisch enterbt.
Sie können auch beim ersten Erbfall schon bestimmte Vermögenswerte als Geld- oder Sachvermächtnisse vergeben, um die Pflichtteilsansprüche zu befriedigen und Ihren Kindern schon früher etwas zukommen zu lassen.
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Axel Heinz ist Diplom-Verwaltungswissenschaftler, Unternehmer und seit vielen Jahren ausgewiesener Experte für Testamente, Nachlass und Vorsorge. Aus eigener Erfahrung weiß er um die enorme Bedeutung, wichtige Angelegenheiten zuverlässig und rechtssicher zu regeln. Für erbio behält er daher Tipps und Tricks sowie alle aktuellen Entwicklungen zur Nachlassregelung im Blick und fasst diese in einfach verständlicher, übersichtlicher Form zusammen.
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